„Ein Titel wäre die Krönung für die Entwicklung der letzten Jahre“

0
1115

„Ein Titel wäre die Krönung für die Entwicklung der letzten Jahre“

Klaus Gärtner ist kein Mann der Ruhe. Immer in Bewegung sucht der Handballcoach sowohl beruflich als auch privat nach Aktivität. Nach den erfolgreichen sechs Jahren bei den Rhein-Neckar Löwen als Nachwuchskoordinator im Leistungszentrum, Trainer des Drittligateams und Co-Trainer im Profibereich wird Gärtner zur neuen Saison zum österreichischen Erstligaclub ALPLA HC Hard wechseln. Wir unterhielten uns mit dem 42-Jährigen über seine Zeit bei den Löwen und über die zukünftige Aufgabe.

Man munkelt, die Verantwortlichen des ALPLA HC Hard haben dir die Offerte nicht nur mit der Hauptaufgabe als Cheftrainer schmackhaft gemacht?

Klaus Gärtner: Das stimmt. Der sportliche Leiter Thomas Huemer war gut vorbereitet und hat natürlich die Vorzüge der Region Vorarlberg und des Bodensees herausgestellt. Meine Frau und ich haben uns schon beim ersten Kontakt mit Thomas sehr wohl gefühlt. Nach dem Besuch eines Spiels waren wir uns einig, dass wir nach Hard passen. Es ist alles auf einem viel kleineren Niveau, aber alles super sympathisch. Man spürt das familiäre und leidenschaftliche Vereinsleben.

Schon bei der ein oder anderen Anreise zu euren Urlaubsorten habt ihr bereits von der Gegend am Bodensee geschwärmt?

Klaus Gärtner: Ja, das haben wir wirklich. Im Dezember waren wir in Skifahren in Damüls. Auf der Rückfahrt haben wir darüber gewitzelt, wie toll es wäre hier zu arbeiten und leben. Tja, manchmal kommt es schneller als man denkt. Jetzt haben wir die Berge vor der Haustür. Das ist natürlich ein großer Luxus für uns.

Die Rahmenbedingungen stimmen also, aber wie bewertest du die neue Aufgabe in sportlicher Sicht?

Klaus Gärtner: Viel wichtiger sind natürlich die beruflichen Rahmenbedingungen. Nach den ersten Eindrücken stimmen auch diese. Ich bin bereits im regen Austausch mit dem sportlichen Leiter, Trainerteam und den Spielern. Bisher sind die Erfahrungen sehr positiv. Ich freue mich riesig auf die Chance, in Hard meine ersten Schritte als Cheftrainer machen zu dürfen. Die Zielsetzung verschiebt sich nun etwas von der individuellen Entwicklung hin zum reinen sportlichen Erfolg. Wobei auch in Hard die Jugendarbeit und die Integration von jungen Talenten einen großen Stellenwert hat.

In Österreich gelten Bestimmungen, dass die Vereine stark auf den Nachwuchsbereich setzen. Das kommt dir sicher gut entgegen?

Klaus Gärtner: Natürlich. Wir müssen als Verein versuchen, junge Spieler für die erste Mannschaft zu entwickeln. In Österreich dürfen nur vier Ausländer im Kader stehen. Wir sind also gezwungen, uns um den eigenen Nachwuchs zu kümmern. Ich habe mich jahrelang gefragt, ob sportlicher Erfolg das Entwickeln von jungen Spielern unmöglich macht. Jetzt bin ich selbst in der verantwortlichen Position und kann beweisen, dass es möglich ist.

Dein neuer Verein ist Supercupgewinner und wurde aktuell ÖHB-Pokalsieger. Welche Rolle spielt der ALPLA HC Hard im Alpenstaat?

Klaus Gärtner: Hard ist momentan der Top-Verein in Österreich. In den letzten Jahren haben alle Verantwortlichen des HC ein tollen Job gemacht. Der Verein hat sich sehr gut entwickelt. Die Ausgangsposition könnte schlechter sein. Aber daraus entsteht natürlich auch eine gewisse Erwartungshaltung. Die kommende Saison wird sicherlich spannend. Es gibt auf der Trainerposition einen Neuen und auch der Kader verändert sich auf zentralen Positionen. Trotzdem wollen wir natürlich erfolgreich sein. Das große Ziel aller im Verein ist die Qualifikation für die Gruppenphase in der Champions League. Die letzten zwei Jahre wurde diese jeweils knapp verpasst.

Noch bist du aber bei den Löwen und hier bestehen noch mehrere Titelchancen bei den Profis und im Nachwuchsbereich. Was ist hier noch möglich?

Klaus Gärtner: Die Profis können die Meisterschaft und den Pokal holen. Wir haben in der Meisterschaft eine gute Ausgangsposition und im Pokal sollte nun endlich einmal der Fluch von Hamburg besiegt werden. Die A-Jugend ist sicher auf Augenhöhe mit allen anderen Top-Teams. Wobei schon im Viertelfinale mit Magdeburg eine hohe Hürde wartet. Die B-Jugend hat ein bisschen Verletzungspech und muss auf wichtige Spieler verzichten. Es wird spannend sein, wie die Mannschaft das kompensieren kann.

Die Löwen haben zwei Meisterschaften am Stück eingefahren, was hat sich dadurch im Verein verändert?

Klaus Gärtner: Ich weiß nicht ob sich etwas im Verein geändert hat, aber bei der Mannschaft merkt man in vielen Situationen eine gewisse Ruhe und ein Selbstverständnis an. Es ist schon beeindruckend wie konstant die Mannschaft spielt.

Sollte nicht nun auch die Jugend mit einem Titel nachziehen oder steht hier die Gesamtentwicklung im Vordergrund?

Klaus Gärtner: 2008 war der letzte Titelgewinn im Nachwuchsbereich. Ich laufe jeden Tag zehn Mal am Meisterschaftsfoto von 2008 vorbei. Es wäre schön, wenn wir mal ein neues Foto aufhängen könnten. Wir waren im letzten Jahr ganz nah dran, es hat lediglich ein Tor gefehlt. Ein Titel wäre die Krönung für die Entwicklung der letzten Jahre. Ich denke wir sind mittlerweile die ganz klare Nummer eins in Süddeutschland.

Du hast sechs Jahre im Nachwuchsleistungszentrum der Löwen gearbeitet. Wie bewertest du diese Zeit?

Klaus Gärtner: Insgesamt positiv. Natürlich bin unserem sportlichen Leiter Rolf Bechtold immer noch sehr dankbar für die Chance, bei den Junglöwen arbeiten zu dürfen. Die Arbeit mit den Jungs in der Halle hat mir immer richtig viel Spaß gemacht. Aber es war auch eine anstrengende Zeit für mich. Es gab viele Veränderungen. Erst in den letzten drei Jahren waren wir eigentlich personell einigermaßen konstant und dann auch sehr erfolgreich. Ich werde sicher die Entwicklung weiter intensiv verfolgen. Mit Daniel Meyer hat sich in den letzten Jahren eine echte Freundschaft entwickelt.

Welche Erkenntnisse nimmst du insbesondere mit?

Klaus Gärtner: Ich habe in den letzten Jahren wieder sehr viel gelernt. Vor allem auch über mich selbst. Dinge, die man nicht verändern kann, sollte man ausblenden. Sonst kosten sie zu viel Energie. Und Egoismen sind für die Entwicklung eines Vereins nicht förderlich. Persönliche Befindlichkeiten und Erfolge sind immer den gemeinsamen Zielen unterzuordnen.

Was wirst du vermissen?

Klaus Gärtner: Der Weg zur Familie wird wieder weiter. Das ist natürlich schade. Es gibt einige Menschen zu denen ich eine enge Beziehung aufgebaut habe. Die werden mir natürlich fehlen. Der intensive Austausch mit Daniel Meyer, die inhaltlichen Diskussionen mit Rolf Bechtold und die morgendlichen Konzeptentwicklungen mit Bundesliga-Physiotherapeut Sascha Pander werden mir ebenfalls fehlen. Dazu natürlich noch mein ehemaliger Mannschaftsbetreuer Peter Sabisch mit seiner stets positiven Art.

Die neue Aufgabe ist deine erste Station als Cheftrainer im Profibereich. Wie bereitest du dich darauf vor?

Klaus Gärtner: Ich hoffe ausreichend. Wir stehen in den letzten Zügen bei der Kaderplanung. Es müssen noch zwei Personalien geklärt werden. Ich versuche die Mannschaft kennen zu lernen. Deswegen schaue ich mir viele Spiele von Hard an. Bei der Planung der Vorbereitung bin ich im Austausch mit meinem Trainerteam. Neben Thomas Huemer sind sie die wichtigsten Ansprechpartner für mich.

Wie lautet deine persönliche Zielsetzung, was gibt der Verein vor?

Klaus Gärtner: Ich bin noch nie entlassen worden und bin immer sehr lange bei meinen Vereinen geblieben. So soll es bleiben. Natürlich wollen wir erfolgreich Handball spielen und Titel gewinnen. Wir haben einige Veränderungen im Kader und Ich brauche auch immer eine gewisse Zeit, um richtig anzukommen. Mal sehen wie schnell alles geht.

Bleibt bei der Umsetzung dann noch Zeit für eine Biketour übers Gebirge oder fürs Skifahren?

Klaus Gärtner: Hoffentlich. Aber erst einmal geht es um dem HC und die sportliche Entwicklung. Dann hoffe ich natürlich, dass sich meine Frau in Hard schnell wohlfühlt. Sie verlässt jetzt das zweite Mal ihr soziales Umfeld für meinen Job. Dafür bin ich ihr sehr dankbar. Wenn alles gut läuft, werden wir beide sicher Zeit für unsere Hobbys finden.

Auch wenn noch bei den Löwen einiges zu tun ist, zum Abschluss die Frage: Was möchtest du den Löwen noch für deren weiteren Weg mitgeben?

Klaus Gärtner: Ich glaube die Fußball-Nationalmannschaft trifft es mit ihrem neuen Slogan „Best never rest“ perfekt. Momentan sind die Löwen die beste Mannschaft in Deutschland. Aber wo stehen die Löwen 2025? Welche Vision hat man? Diese Position zu halten, sollte das große Ziel sein. Natürlich haben die Löwen strukturelle Nachteile. Ich denke mit Kreativität, cleverer Kaderplanung und Weitsicht kann man diese Nachteile kompensieren.