Rhein-Neckar Löwen gelang die Titelverteidigung

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Der 31. Mai 2017 geht in die Geschichte des deutschen Handball ein! Am Mittwochabend ist eine Entscheidung in der DKBH-Handballbundesliga gefallen, die so vorher niemand erwartet hatte. Zunächst raubte Frischauf Göppingen dem einzigen Verfolger der Rhein-Neckar Löwen im Kampf um die Meisterschaft, der SG Flensburg-Handewitt, den letzten Funken Hoffnung. Die Schwaben halfen den Badenern und schickten die Norddeutschen mit einer 31:27 Niederlage auf die Heimreise. Dann spielte der alte Meister in der zweiten Halbzeit seiner Heimpartie gegen den Rekordmeister  THW Kiel wie entfesselt und gewann mit 28:19 erneut die deutsche Handballkrone.

Im Zeitalter der modernen Medien war es nicht zu vermeiden, dass die Sensation aus Göppingen schon vor dem Anpfiff vor 13200 Zuschauern in der Mannheimer SAP-Arena bekannt wurde. Eine halbe Stunde vor Spielbeginn achteten die meisten Löwenfans nicht mehr auf Geschehen in der Arena, sonder verfolgten die Begegnung der Schwaben auf dem Liveticker ihrer Handys. Die letzten zwei Minuten wurden dann auf dem Würfel direkt übertragen und die Halle brach zum ersten Mal in einen Jubelsturm aus, als in der EWS-Arena in Göppingen der Schlusspfiff ertönte. Plötzlich war allen Zuschauern bewusst, dass an diesem Abend noch die Entscheidung um die deutsche Meisterschaft wird fallen können.

Mikael Appelgren bot Weltklasse (Foto: cls)

In der ersten Halbzeit spürte man bei den Löwen noch die Anspannung, die durch die neue Situation entstanden war. „Wir wollten vom Anpfiff weg das Spiel gewinnen,“ erklärte später Trainer Nikolaj Jacobsen. Aber der erste Durchgang wurde von den Abwehrreihen beider Teams bestimmt und vor allem von den Torhütern. Die Löwen bauten vor Torhüter Mikael Appelgren ein Bollwerk auf und die Zebras unterstützten den Ex-Löwen Niklas Landin mit viel Biss gegen den Angriff des amtierenden Meister. Der schwedische Nationaltorhüter glänzte in der ersten Hälfte mit zwölf Paraden und übertrumpfte dabei seinen Vorgänger im Gehäuse der Badener. Der dänische Weltklassekeeper war achtmal zur Stelle, wenn seinem Kasten Gefahr drohte.

So konnte es niemand verwundern, dass bis zur zehnten Minute gerade mal vier Treffer gefallen waren. Kapitän und Spielmacher Andy Schmid, der in der Anfangsphase fast an allen Chancen beteiligt war, sorgte mit seinem Tor zum 3:2 für die nächste Führung, die Kim Ekdahl du Rietz um 4:2 ausbaute. Aber der Rekordmeister blieb dran. Noch vor Mitte der ersten Hälfte glichen die Zebras aus. Der Meister ließ nicht locker. Angetrieben von einer euphorisierten Arena setzten sich die Badener mit einem 3:0 Lauf auf 8:5 ab. Acht Minuten vor der Pause gelang Rafael Baena sogar das Tor zum 10:6. Landin sorgte mit drei herrlichen Paraden gegen die Angreifer der Gelbhemden dafür, dass die Zebras bis zur Pause noch auf 10:9 herankamen.

Andy Schmid lief im zweiten Abschnitt heiß (Foto: cls)

Gleich nach Wiederanpfiff erhöhte Nationalrechtsaußen Patrick Groetzki erneut auf zwei Tore Differenz, aber Kiels Kreisläufer Patrick Wiencek gab sofort die richtige Antwort. Danach übernahm jedoch der Schweizer Nationalspieler Andy Schmid endgültig das Kommando. Sein Trainer nahm ihn nicht mehr vom Feld, wenn es in die Rückzugsbewegung ging, sondern ließ ihn in der Deckung auf Außen agieren. Der Spielmacher der Löwen setzte die Norddeutschen mit seiner Interpretation der zweiten Welle mächtig unter Druck. Mit vier Toren innerhalb von vier Minuten schoss Schmid seine Farben mit 16:12 in Front. Als Appelgren beim nächsten Angriff der Gäste eine Granate von Marko Vujin entschärfte, ging Gudjon Valur Sigurdssn mit einem irrsinnigen Pass seines Torhüters auf und davon: 17:12. Jetzt war die Arena nicht mehr zu halten. Die Löwen spielten sich immer mehr in einen Rausch und nutzten vor allem ihre Hauptwaffe, den schnellen Gegenstoß.

Linkshänder Christian Zeitz brachte zwar die Harzkugel hinter Appelgren unter, kassierte aber dann eine Zeitstrafe. Während der gebürtige Heidelberger die Strafe abbrummte, agierten seine Kollegen mit dem „empty goal“, Torhüter Landin musste raus und ein zusätzlicher Feldspieler kam rein. Zunächst erhöhte Sigurdsson auf 18:13 und dann stibitzte Sigurdsson seinem Gegenspieler den Ball, passte zu Hendrik Pekeler, der am Mittelkreis lief und der Nationalspieler beförderte das Spielgerät ins leere Tor: 19:13. Die Halle war nicht mehr zu bremsen. Erst recht nicht als Schmid wieder einmal einen Pass von  Appelgren aufnahm und das Zwischenergebnis auf 20:13 schraubte.

Zebra Coacch Alfred Gislason nahm  Landin vom Feld und schickte dafür den deutschen Nationaltorhüter Andreas Wolff zwischen die  Pfosten, der sich gleich mit einer tollen Parade bei einem Gegenstoß Sigurdssons einführte. Doch schon der nächste Versuch von Groetzki schlug hinter Deutschlands Nummer eins ein. Nach zwei weiteren Treffern durch Alexander Petersson und du Rietz zückte Gislason den grünen Karton. Die Arena spendete den Gelbhemden zum ersten Mal „Standing Ovations“. Nach einer weiteren Parade von Appelgren baute du Rietz mit der zweiten Welle den Vorsprung auf zehn Tore aus. Von den Rängen ertönte es: „oh wie ist das schön“.

Die letzten zehn Minuten wurden von den Löwenfans nur noch mit Jubelgesängen begleitet, denn schon zu diesem Zeitpunkt war klar, dass den Gastgebern die zweite Meisterschaft nicht mehr zu nehmen ist. Trainer Jacobsen wechselte in der Schlussphase nicht nur Torhüter Andreas Palicka ein, sondern brachte auch noch Harald Reinkind und Marius Steinhauser. Die Löwen waren wie ihre Fans nicht mehr zu halten. Mit einem 28:19 Erfolg war letztendlich der zweite Titel in Folge gesichert worden.

Was nach dem Schlusspfiff folgte war Party pur.  Da niemand vor der Begegnung mit dem Titelgewinn  gerechnet hatte, musste einfach improvisiert werden. Trainer Nikolaj Jacobsen lobte sein Team. „Der Zusammenhalt ist einfach unglaublich. Der Wille auch. Andere Teams wurden höher gehandelt. Aber wir haben den Titel. Für solche Momente quält man sich die ganze Saison.“ Und die Geschäftsführerin der Löwen, Jennifer Kettenmann, sagte: „Vor der Saison hatte uns niemand auf dem Zettel. Nicht mal wir selbst.“ Oliver Roggisch ergänzte: „Das ist die schönste Meisterschaft weil keiner damit gerechnet hat.“

Das Feiern wollte dann auch kein Ende nehmen und für viele wurde es bestimmte eine lange Nacht. Oliver Roggisch dachte in diesem Moment auch noch an die restlichen Spiele: „Wir werden jetzt feiern, aber wir wollen die letzten beiden Partien auch noch erfolgreich bestreiten.“

Rhein-Neckar Löwen: Mikael Appelgren, Andreas Palicka (für zwei Siebenmeter und ab 53.) – Andy Schmid (6), Gudjon Valur Sigurdsson (5), Rafael Banea Gonzalez (1), Marius Steinhauser, Mads Mensah Larsen, Harald Reinkind (1), Gedeon Guardiola, Patrick Groetzki (3), Kim Ekdahl du Rietz (5), Hendrik Pekeler (5), Alexander Petersson (2), Filip Taleski (ne) , Dejan Manaskov (ne)

THW Kiel: Niklas Landin, Andreas Wolff (ab 45.) – Blazenko Lackovic, Steffen Weinhold (1), Christian Dissinger (1), Patrick Wiencek (3), Niclas  Ekberg (1), Christian Zeitz (5), Rune Dahmke, Ilija Brozovic (1), Marko Vujin (3), Mykola Bilyk (3/1), Lukas Nilsson (1), Sebastian Firnhaber, Christian Sprenger

 

 

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